Startseite | Kontakt | Impressum

Aktuelles

Bezeichnung Mineralfarbe

Für die Beschichtung der Fassade eines denkmalgeschützten Hauses wurde die Verwendung von Mineralfarben vorgeschrieben. Der Auftragnehmer setzte eine mit Silikonharzen modifizierte Dispersionsfarbe ein. Beurteilen Sie den Einsatz dieses Werkstoffes.

Die Bezeichnung „Mineralfarbe" wird häufig, jedoch unzutreffend und missverständlich, einzig für Silikatfarben verwendet. Der Begriff „Mineralfarbe" ist aber als Überbergriff für Anstrichstoffe mit mineralischen Bindemitteln, wie z.B. Kalk-, Zement-, Silikat- oder Dispersionssilikatfarben, anzusehen.

Nach DIN EN 459-1 Baukalk - Teil 1: Definitionen, Anforderungen und Konformitätskriteriensind Kalkfarben aus Weißkalk hergestellt. Sie dürfen kalkbeständige Pigmente bis zu einem Massenanteil von 10% aufweisen.

Der Kommentar zur VOB Teil C DIN 18 363 Maler- und Lackierarbeiten sagt dazu:Nach DIN 55 945 Beschichtungsstoffe und Beschichtungen – Ergänzende Begriffe zu DIN EN ISO 4618 ist Kalkfarbe eine wässrige Aufschlämmung von gelöschtem Kalk (Kalziumhydroxid). Hydraulisch härtende Weißkalke sind nicht geeignet, Kalkfarbe wird bevorzugt aus Sumpf-kalk hergestellt oder aus Kalkhydrat, das vor der Verarbeitung ausreichend lange eingesumpft wurde.“

Kalkfarben sind historisch eingesetzte Beschichtungsstoffe, die auch sehr preiswert sind. Hervorzuheben ist die außerordentlich gute Wasserdampfdurchlässigkeit. Nachteilig ist die schwierige Verarbeitung. Diese Werkstoffe müssen in 3 bis 4 Schichten aufgetragen werden. Damit wird wiederum die Verarbeitung sehr teuer.

Gleichzeitig sind diese Beschichtungen gegenüber der Luftverschmutzung sehr empfindlich. Schwefelsäure in der Luft z. B. wandelt die Kalkfarbe in Gips um. Gips ist stark wasserlöslich und wird vom Regen abgewaschen. Kalkfarben wurden an historischen Bauwerken weitgehend durch die Silikatfarben abgelöst.


Zu Kalk-Weißzementfarben sagt der Kommentar zur VOB Teil C DIN 18 363: “Kalk-Weißzementfarben werden fertig konfektioniert als Farbpulver beispielsweise in Säcken geliefert.“

Bei den Kalk-Weißzementfarben werden hydraulische Kalke (fast ausschließlich durch Wasserbindung erhärtende Kalke) oder Zemente (durch Wasserbindung erhärtend) als Bindemittel eingesetzt. Diese Bindemittel erzeugen eine große Spannung der Beschichtung, sind nur in wenigen Farbtönen lieferbar und werden nur selten und kaum vom Maler und Lackierer eingesetzt.


Silikatfarben
müssen aus Kaliwasserglaslösungen und kaliwasserglasbeständigen Pigmenten bestehen und dürfen keine organischen Bestandteile z.B. Kunststoffdispersionen, enthalten.

Der Kommentar zur VOB Teil C DIN 18 363 sagt dazu: “Silikatfarben werden in der Regel in zwei vorkonfektionierten Komponenten, der Bindemittellösung (Fixativ) und dem Pigmentpulver geliefert. Das Mischungs- (Ansatz-) Verhältnis bestimmt sich nach der Herstellervorschrift und der Saugfähigkeit des mineralischen Untergrunds. Die Mischung wird erst vor der Verarbeitung hergestellt. Die Härtung der Silikatfarben erfolgt durch eine chemische Reaktion des Kaliwasserglases mit der Pulverkomponente und Bestandteilen des mineralischen Untergrundes“.

Silikatfarben enthalten keinerlei organische Komponenten und sind so rein mineralisch. Da sie im Wesentlichen aus Si02-Molekülen bestehen und somit in der Struktur dem Quarzsand entsprechen, besteht zwischen dieser Beschichtung und dem in der Regel damit beschichteten mineralischen Putz die größte Ähnlichkeit. So zeigen diese Beschichtungen bei Temperaturänderungen das gleiche Verhalten wie der darunter liegende Putz. Im Unterschied zu Kalkfarben sind diese Beschichtungen auch gegen aggressive Luft-verschmutzung besser beständig. Der bedeutendste Hersteller dieser Beschichtungsstoffe, die Firma Keim, stellt zudem die chemische Reaktionsfähigkeit der Silikatfarben mit dem Untergrund und die daraus resultierende besonders gute Verbindung mit dem Untergrund heraus. Tatsächlich ist diese Reaktion mit dem Untergrund nur unter günstigen Voraussetzungen möglich, z. B. bei Neuputzen, wenn der Untergrund noch alkalisch ist und deshalb noch reaktionsfähiges Kalziumhydroxid (= Kalklauge) enthält. Diese chemische Verbindung konnte bislang nicht sichtbar gemacht werden.

Silikatfarben sind teuer, zeichnen sich durch sehr gute Wasserdampfdurchlässigkeit aus, sind aber nicht einfach zu verarbeiten. So ist auch die Verarbeitung teuer. Zudem sind die Silikatfarben bezüglich ihrer Haftung zum Untergrunde eher kritisch einzuschätzen. Eine dauerhafte Beschichtung ist nur auf neuen Putzen oder alten Silikatfarbenanstrichen möglich.


Dispersions-Silikatfarben
, Dispersions-Silikatfüllfarben und Dispersions-Silikatbeschich-tungsstoffe für putzartige Oberflächen müssen aus Kaliwasserglas mit kaliwasserglas-beständigen Pigmenten und Zusätzen von Hydrophobierungmitteln bestehen. Sie dürfen maximal 5% Massenprozent organische Bestandteile enthalten.

Der Kommentar zur VOB Teil C DIN 18 363 sagt dazu: “Dispersions-Silikatbeschichtungsstoffe werden auch als Organosilikat-Beschichtungsstoffe bezeichnet.

Bei Dispersions-Silikatfarben und ihren Varianten ist der Anteil der organischen Bestandteile beschränkt, damit - im Unterschied zu Dispersionsbeschichtungsstoffen - der Charakter der „Mineralfarbe" erhalten bleibt. Die organischen Bestandteile werden nach anerkannten Laborverfahren als Glühverlust bei 450°C bestimmt.“

Der Dispersionsanteil dieser Beschichtungsstoffe verbessert die Verarbeitung ganz entscheiden. Dabei ist auch die Wasserdampfdiffusion der damit hergestellten Beschich-tungen noch gut. Da der organische Anteil von zugelassen 5 % (bezogen auf den Lieferzustand des Beschichtungsstoffes) bezogen auf den trockenen Bindemittelanteil tatsächlich bis zu 40 % beträgt, wird der mineralische Charakter dieser Beschichtungsstoffe empfindlich beeinflusst. Eine chemische Verbindung mit dem Untergrund erscheint sehr unwahrscheinlich und wurde bislang nicht nachgewiesen. Diese Beschichtungen zeichnen sich aber durch eine gute Wasserdampfdiffusion aus und werden zwischenzeitlich auch für denkmalpflegerische Arbeiten eingesetzt, wobei es hier wegen des organischen Anteils dieser Beschichtungsstoffe auch Vorbehalte gibt.


Dispersionsfarben enthalten organische, filmbildende Bindemittel, für den Außenbereich vorwiegend Acrylate und Styrolacrylate. Diese Beschichtungsstoffe zeichnen sich durch verhältnismäßig günstige Preise und leichte Verarbeitung aus. Wegen der im Vergleich mit mineralischen Bindemitteln weniger guten Diffusionsfähigkeit sind diese Beschichtungs-stoffe im Bereich der Denkmalpflege weniger gerne gesehen. Werden diese Werkstoffe auf reine Luftkalkputze (= Putze, die nur Luftkalke als Bindemittel enthalten und deshalb einzig durch chemische Kohlendioxidbindung erhärten) aufgetragen, werden diese Putze mit der Zeit unter diesen Beschichtungsstoffen mürbe und verlieren so ihre Festigkeit.


Silikonharze sind eine Symbiose von SiO2 und organischen Gruppen. Diese Harze können nicht alleine als Bindemittel für Fassadenfarben eingesetzt werden. Eine zu starke Kreidung (= ungenügende Wischbeständigkeit) wäre die Folge. So besteht das Bindemittel der Silikonharzfarben aus ca. 50% Silikonharz und ca. 50 % Dispersion.

Da Silikonharze besonders diffusionsfähig bei gleichzeitiger besonders guter wasser-abweisender Wirkung sind, sind Silikonharzfarben zwischenzeitlich an Fassaden sehr beliebt, wegen des fehlenden mineralischen Charakters aber weniger für historische Projekte.

Silikonharzfarben sind teurer als Dispersionsfarben. So ist eine neue Gruppe der Fassaden-farben entstanden. Dispersionsfarben werden mit einem Zusatz von Silikonharzen versetzt. Die so hergestellten Beschichtungsstoffe sind nur geringförmig teurer als Dispersionsfarben. Der Silikonharzzusatz verbessert die wasserabweisende Wirkung ganz entscheidend. Die Dampfdiffusion wird nicht in gleichem Maße gemindert. So werden diese Beschichtungs-stoffe wie Dispersionsfarben für historische Bauwerke allgemein, also im Rahmen der Denkmalpflege, für weniger geeignet angesehen.

Als Bewertung der bei diesem Projekt eingesetzten Fassadenfarbe ist festzustellen: Das verwendete Produkt ist keine Mineralfarbe und hätte nicht eingesetzt werden dürfen.